Habt ihr schon mal von Büchern aus Graspapier gehört? Als wir vor wenigen Wochen den Heldenmarkt besuchten, waren wir ganz aus dem Häuschen über die wunderschönen Postkarten und Notizbücher von Matabooks. Diese werden tatsächlich aus Gras hergestellt, sind fair, nachhaltig und vegan. Damit sind sie eine tolle Alternative zu herkömmlichen Materialien und frei von tierischen Produkten. Hierfür kreieren junge Künstlerin tolle Designs und ein Teil der Erlöse spendet das Unternehmen an soziale Projekte. Doch was ist Graspapier eigentlich?

Was ist Graspapier und wie wird es hergestellt?

Graspapier besteht nicht zu 100% aus Gras, wie der Name vielleicht vermuten lässt. Es besteht weiterhin aus Altpapier und oder frischen Zellstoff aus Bäumen, jedoch mit einem erhöhtem Anteil an getrocknetem Gras bzw weiterverarbeiten Heu. Je nach Produktion kann man bereits 40-50% Fasern aus Gras als Substitut hinzufügen. Dies minimiert den Verbrauch von Baumfasern. Klingt nicht viel sagst Du?

Es bedarf nur rund 1-2 Liter Wasser, um eine Tonne Frischfaser Gras herzustellen. Bei einer Tonne Holzzellstoff sprechen wir bereits über rund 5000 Liter Wasserverbrauch. Dieser enorme Verbrauch kommt dadurch zu Stande, dass hochwachsende Pflanzen, also u.a. Bäume, sehr viel Lignin besitzen. Lignin könnte man als eine Art natürlichen Klebstoff bezeichnen, welcher in der Zellwand die Verholzung der Pflanze veranlasst. Dieser muss bei der Papierherstellung chemisch aus dem Holz gewaschen werden. Da Gras flach wächst, beinhaltet es sehr viel weniger, nämlich rund 25% dieses Klebstoffes und der Reinigungsprozess entfällt quasi.

Das spart in der Herstellung nicht nur Chemikalien und tausende Liter Wasser, sondern auch pure Energie. Der Hersteller Scheufelen gibt folgendes an: 136 KW/H pro Tonne Grasfaser verglichen mit rund 6000 KW/H pro Tonne Holzzellstoff. Damit aber nicht genug. Der Rohstoff Holz wird zum großen Teil importiert und verbringt einen Großteil seiner Zeit auf den Straßen dieser Welt. Durchschnittlich 4000 km bis es in der Papierfabrik ankommt. Was das für den CO² Ausstoß bedeutet müssen wir Dir wohl nicht sagen. Gras hingegen wächst überall, kann regional abgebaut werden, wächst sehr schnell nach und ist daher sehr günstig.

Welche Produkte kann man aus Graspapier herstellen?

Größtenteils noch reine Verpackungsmaterialien, wie Kartons oder Wellpappen. Zusätzlich wird Graspapier für grafisches Papier verwendet, also zum Bedrucken, Beschreiben oder Kopieren. Neu hingegen ist der Versuch Graspapier in die Buchproduktion zu bringen. Matabooks ist hier ein Vorreiter und war u.a. auch als Austeller auf dem Heldenmarkt 2018 in Berlin zu sehen. Kaffeebecher sind ebenfalls ein mögliches Produkt, da der Faserstoff kurzzeitig Temperaturen bis zu 70 Grad aushalten kann und undenklich zur Lebensmittelverpackung eingesetzt werden darf.

Die folgenden 4 Bilder wurden von der Scheufelen GmbH bereitgestellt:

 

Postkarten aus Graspapier

Matabooks

Da wir einfach mehr über Graspapier wissen wollten, dachten wir uns es wäre eine gute Idee einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Glücklicherweise war Christian Hartmann, Director Sales & Marketing der Scheufelen GmbH, so freundlich uns ein paar Fragen zu beantworten:

Wie wird Graspapier bei der Scheufelen GmbH hergestellt?

Die Grasfaser für Scheufelen Graspapier wird durch einen rein mechanischen Prozess aus sonnengetrocknetem Gras (Heu) gewonnen. Das Gras durchläuft nach der üblichen Heuproduktion in einer mobilen Zerfaserungsanlage die Prozessschritte Reinigung, Faserlängenzuschnitt, Pressung und Lagerung im trockenen Zustand und unter geringem Energieeinsatz. Das Rohmaterial ist anders als bei anderen denkbaren alternativen Faserstoffen wie Bagasse, Algen etc. trocken und damit ohne große vorherige Energiezufuhr nutzbar. Durch den trockenen Zustand sowie die Nutzung der jahrhundertealten Erfahrung der Heuherstellung und dezentralen Lagerung ist es lange lagerfähig (sowohl in Heuballen als auch in Losmaterial oder Pellets) und damit ganzjährig und saisonal unabhängig (anders als Stroh, Laub, tropische Blätter) verfügbar.

Einsparungen beim Einsatz von Grasfaserstoff:

Verglichen mit Frischfaserzellstoff um ca. 50 % reduzierte CO2 Emissionen pro Tonne Papier

Verglichen mit Frischfaserzellstoff um ca. 65 % weniger Wasserverbrauch pro Tonne Papier.

Verglichen mit Frischfaserzellstoff, um ca. 65 % weniger Prozesschemikalien pro Tonne Papier.

Verglichen mit Frischfaserzellstoff um ca. 30 % weniger Energieverbrauch pro Tonne Papier.

 Wo kommt das Gras her?

Das Heu kommt von ungedüngten Ausgleichsflächen aus Deutschland und Europa, im Idealfall aus der Biosphärenregion Schwäbische Alb, und wir ersetzen in der ersten Stufe damit ca. 30.000 to brasilianischen Eukalyptus-Zellstoff.

Für welche Produkte ist Ihr Graspapier verwendbar?

Scheufelen Graspapier ist für alle möglichen Anwendungen nutzbar. Einige Beispiele sind: Labels und Etiketten, Broschüren und Mailings, Papiertragetaschen und Beutel, Wellpappversandkartons, Füllmaterial für den Produktversand, Displays, Briefumschläge und Versandtaschen, Frischobst- und Gemüseverpackungen, Becher, Faltschachteln und flexible Verpackungen.

Wo haben Graspapier-Produkte bisher den größten Einfluss bzw. Verwendung gefunden?

Am häufigsten vertreten ist der europäische Lebensmitteleinzelhandel mit einer Fülle an Anwendungen: Samentüten für Blumen, Wellpappschalen für Obst und Gemüse, Papierbeutel für Obst und Gemüse, Papiertragetaschen, Faltschachteln.

Ist eine Erhöhung des Anteil von Gras absehbar, um Graspapier noch umweltfreundlicher zu machen?

Aktuell ist eine Erhöhung des Grasanteils über 50% technisch leider nicht darstellbar.

Ist eine Verfeinerung der groben Struktur/Körnung von Graspapier möglich?

Aktuell Bestandteil von neuen Produktentwicklungen, zu denen wir heute noch keine Auskunft geben können.

Gibt es Nachteile für die Umwelt?

Das Gras stammt aus ungedüngten und unbewirtschafteten Ausgleichsflächen, die der Biodiversität zuträglich sind.

Was ist die Vision bzw. wo sieht sich die Scheufelen GmbH in fünf Jahren?

Wir hoffen, dass wir in 5 Jahren weitestgehend Papier und Karton aus schnellnachwachsenden Pflanzen herstellen.

Gibt es Konkurrenz bzw. was unterscheidet Sie von der Konkurrenz?

Das Thema Graspapier bewegt momentan den allgemeinen Papiermarkt. Es gibt zunehmend Papierfabriken, die ähnliche Produkte auf den Markt bringen. Scheufelen ist bisher das einzige Unternehmen, das Produkte in einer Range von 80 bis 650 g/qm für die Nutzung in nahezu jedem Anwendungsbereich anbietet.

Wer sind Ihre größten Kunden, die Produkte basierend auf Graspapier ordern?

Lebensmitteleinzelhandel / Wellpappproduktion

 

Fakten zu Papier und Graspapier auf einen Blick

  • Graspapier verbraucht rund 0,1% des Wassers für klassisches Papier
  • Graspapier hat rund 2% des Energiebrauchs von klassischen Papier
  • Für die Produktion von Graspapier werden weniger bis kaum Chemikalien benötigt
  • Der Rohstoff Gras wächst sehr schnell nach
  • Gras überall lokal anbaubar und erhältlich
  • CO² freundlicher, da lange Transportwege wegfallen
  • Graspapier ist nachhaltiger
  • lediglich 17% der für den deutschen Papierverbrauch eingesetzten Holzmenge stammt aus deutschen Wäldern, der Rest wird importiert
  • Pro Kopf Papierverbrauch in Deutschland ~250 kg, weltweiter Durchschnitt lediglich 50 kg
  • jeder 5. Baum, der gefällt wird, kommt in die Papierherstellung
  • eine Tonne klassisches Papier verbraucht mehr Energie in der Herstellung als eine Tonne Stahl